#Flutlicht

10 Jahre Sonderheft-Chef: Bernd Salamon und die Herausforderungen der kicker Sonderhefte

Jahr für Jahr fiebern Hunderttausende dem Start der Fußball-Bundesliga und damit dem legendären kicker Sonderheft entgegen. Egal ob Stecktabelle, Mannschaftsfotos oder die vielen Daten & Fakten: jeder Fußball-Fan verbindet seine eigene Geschichte mit dem Saisonbegleiter. Sonderheft-Chef Bernd Salamon betreut die kicker Sonderhefte seit mittlerweile zehn Jahren und hat so manche schlaflose Nacht deshalb verbracht.

Das Sonderheft-Team: Marcus Lehmann, Sabine Klier, Peter Dworschak, Bernd Salamon, Christoph HuberStefan Schmid | kicker

Bernd, du bist unser Leiter der Sonderpublikationen. Seit wann bist du im Verlag und welche Stationen liegen hinter dir und wie bist du zu der Position gekommen?

Ich bin im Verlag seit 2001 - und damit mittlerweile mein halbes Leben. Krass! Ich habe erst viele Jahre für den Montags- und Donnerstags-kicker gearbeitet, anfangs in der Redaktion der 2. Liga, später in der Bundesliga. Als Reporter durfte ich über Nürnberg, Freiburg, Fürth und sechs Jahre lang über den FC Bayern schreiben. Highlights waren Olympia 2004, die Heim-WM 2006 und das Champions-League-Finale 2010. Anfang 2014 wurde dann eine neue Stelle im Haus geschaffen: die des Sonderheft-Machers. Ich kam morgens nichts ahnend zur Arbeit und mittags hatte ich den Job. 

Seit wann gibt es das Sonderheft?

Das Bundesliga-Sonderheft seit dem Beginn der Liga 1963. Da war der kicker von Anfang an dabei. 

Das erste kicker Sonderheft zur Fußball-Bundesligakicker | Olympia-Verlag

Wie hat sich die Vorbereitung und Produktion von Sonderheften in den letzten 10 Jahren verändert?

Die Vorbereitung gar nicht so sehr. Das Heft wird geplant, die Themen werden festgelegt und vergeben. Wir sind ein recht kleines Team und daher eingespielt. Die Produktion ist immer gleich: volle Pulle gerade in der Endphase. Der Kampf gegen die Uhr, wenn 240 Seiten zu einem bestimmen Zeitpunkt alle fertig sein müssen, wird immer die größte Herausforderung sein. 

Welche Rolle spielt das Feedback der Leser für neue Ausgaben?

Eine nicht zu unterschätzende. Unsere Leserinnen und Leser kennen gerade das Bundesliga-Sonderheft sehr gut, sie merken sofort jede Änderung. Da müssen wir immer den Mix finden: nie etwas Neues wagen kann langweilig sein, zu viel umschmeißen kann abschrecken. Wir bekommen zum Heft viel Feedback, teilweise sehr detailliert. Das nehmen wir mit ins nächste Jahr und haben manches davon auch umgesetzt. 

Wie entscheidest du, welche Themen in einem Sonderheft behandelt werden?

Da brauchst du einfach ein Gespür für die Zeit. Viele Themen sind aktuell, aber welches ist das Spannendste? Was wissen die Leser schon, womit können wir sie überraschen? An welchen kommst du einfach nicht vorbei? Wenn die Bayern einen neuen Coach holen, schreiben wir natürlich über ihn. Auf Vincent Kompany zu kommen ist kein Hexenwerk. Dann geht es eher darum: Wie erzählen wir die Geschichte über ihn interessant? 

Welche Fähigkeiten sind für jemanden in deiner Position als Leiter der Sonderpublikationen am wichtigsten?

Ohne Fußball-Fachwissen kommst du bei uns in keiner Aufgabe weit. Ich muss in stressigen Situationen die Ruhe bewahren, auf meine körperliche wie geistige Fitness achten, denn der Job kann auf seine Weise sehr stressig sein. Ich versuche, jedem im Team zu vermitteln, dass er oder sie wichtig ist, denn so ist es. Ich brauche ein gutes Gespür für Sprache. Manchmal gibt es Meinungsverschiedenheiten zu klären. Zeitung machen ist auch ein Handwerk: Wie ist das Verhältnis von Text zu Bild? Wie sehen “schöne” Seiten aus? Was braucht ein guter Text, ein lesenswertes Interview? Bei uns im Bundesliga-Sonderheft natürlich besonders im Fokus: Wie verbinden wir die vielen Daten mit Texten und schaffen hier den idealen Mix?

Wie beeinflusst die Digitalisierung deine Arbeit und die Produktion der Sonderhefte?

Auch mein Nutzungsverhalten hat sich in den vergangenen Jahren rasant geändert, wie bei jedem von uns. KI kommt immer mehr, manches hilft, nicht alles ist super. Wir schreiben unsere Texte noch selbst, recherchieren vor Ort und sprechen mit den Menschen. Das sollte sich auch nicht ändern. Natürlich bietet das Netz viel mehr Recherche- und Nachschau-Möglichkeiten als früher. Daher bin ich offen für alles, schaue mir alles an und wähle dann aus, was meiner Arbeit hilft und was nicht.

Wie sieht der typische Arbeitstag während der Produktionsphase eines Sonderhefts aus?

Er ist auf jeden Fall sehr lang. Ich suche mir Zeitfenster, an denen ich mal nicht ans Telefon gehe, um in Ruhe an Texten zu feilen. Dann Phasen, in denen nur Gespräche geführt werden. Natürlich ist so ein Tag nicht immer planbar und es kommt oft anders als erwartet. Kann ja aber auch spannend sein.

Es gibt jedes Jahr den Moment, in dem du denkst:

Wir schaffen es diesmal nicht.

Bernd Salamon, kicker Sonderheft-Chef

Wie koordinierst du das Team, das an einem Sonderheft arbeitet? Wie sieht die Zusammenarbeit mit Redakteuren und Reportern aus? Wie viele Menschen sind am Prozess rund um das Sonderheft beteiligt?

Wir haben Reporter für jeden Verein der Bundesliga und Mitarbeiter für alle Zweit- und Drittligisten. Ich überlege mir die Themen, bestelle bei ihnen die Texte und redigierte sie dann. Wir sind im permanenten Austausch. Zum Team gehören auch die Grafik, wo die Seiten layoutet werden, und die Herstellung. Wir haben eine Foto- und eine Datenredaktion, dazu ein Korrektorat. Alles Vollprofis zum Glück und Menschen, mit denen ich gerne zusammenarbeite.

Welche Techniken und Werkzeuge nutzt du, um sicherzustellen, dass alle Inhalte pünktlich und in hoher Qualität geliefert werden?

Bei uns läuft mittlerweile vieles über Microsoft Teams. Für mich ist mein Seitenplan heilig, der permanent aktualisiert wird. Auch unser Redaktionssystem zeigt sehr gut an, welche Seite sich in welchem Stadium befindet. Dass die Inhalte pünktlich und in hoher Qualität geliefert werden, ist erst mal der Job der Reporter. Wir haben sehr gute. Theoretisch müsste ich ihnen in den Hintern treten, wenn was zu spät kommt. Ist aber zum Glück selten nötig. Alle wissen um die Wichtigkeit dieses Heftes für unseren Verlag.

Was sind die größten Herausforderungen im Produktionsprozess?

Die Ruhe bewahren. Beim Bundesliga-Sonderheft gibt es jedes Jahr den Moment, in dem du denkst: Vielleicht schaffen wir es diesmal nicht. Das hat mich anfangs manche Nacht gekostet und haut mich mittlerweile punktuell immer noch mal kurz um, doch es nützt ja nichts: Es muss weitergehen. Es sind einfach wahnsinnig viele Seiten. Und jeder Transfer, der noch reinkommt, betrifft ja immer zwei Vereine, zwei Storys, zwei Kader, also locker mal 10 Seiten.

Was passiert bei der Schlussredaktion? Worauf achtest du besonders?

Die Rechtschreibfehler hat im Idealfall das Korrektorat schon gefunden, aber wurden alle Korrekturen umgesetzt? Das ist die erste Frage. Noch wichtiger sind Fragen zum Inhalt: Passt die Story? Ist sie das, was wir wollten? Hat sich in der Zwischenzeit noch was getan beim Verein oder dem Spieler oder dem Trainer? Passt das Bild? Und stimmen die Daten im Text, die Jahreszahlen, die Rückennummern? Sind die Namen von der Bildunterschrift auch die Menschen auf dem Foto? Alles muss noch mal gecheckt werden. Unser Daten-Chef Christoph Huber ist zum Glück berühmt dafür, immer noch mal was zu finden.

Was war dein bisher stolzester Moment bei der Arbeit an einem Sonderheft?

Das Bundesliga-Sonderheft macht mich jedes Jahr aufs Neue stolz. Mein verrücktester Sonderheft-Moment war am 14. Juli 2014, 1:59 Uhr. Ich hatte drei Monate an einem Heft gearbeitet, das es nur geben würde, wenn Deutschland Weltmeister wird. Eine Niederlage – und alles wäre umsonst gewesen. Als Mario Götze traf, hatten wir keine Zeit zum Jubeln und Tanzen, wir wussten: Jetzt müssen wir liefern! Wir mussten um 2:00 Uhr in der Nacht fertig sein und um 1:50 Uhr fehlten noch elf Seiten. Das war purer Nervenkitzel! Es hat alles geklappt, und schon beim Fan-Fest am Brandenburger Tor haben wir die ersten Wir-sind-Weltmeister-Hefte verkauft.

Das kicker-Sonderheft gehört zu den ureigensten Print-Produkten des kicker – was zeichnet die „Magie“ aus?

Die rote Seite 1. Die Stecktabelle. Die Mannschaftsbilder. Einfach das Gesamtpaket: Dieses Heft ist der Anpfiff zur neuen Saison. Viele von uns kennen es seit ihrer Kindheit, mir geht es auch so. Du kannst dich auf das, was im kicker steht, verlassen. Das ist viel Wert, in der heutigen Zeit der Informationsflut besonders, aber das war schon immer wichtig.

Das kicker Bundesliga-Sonderheft im Wandel der Zeit

Erstes kicker BL-Sonderheft 1963 kicker | Olympia-Verlag
Seit den 70er Jahren im ikonischen Rot kicker | Olympia-Verlag
Ab der Saison 1981/82 mit der Kult-Stecktabelle kicker | Olympia-Verlag
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Seit mehr als einem Jahrzehnt ziert die Meisterschale das Cover kicker | Olympia-Verlag
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Sonderhefte erscheinen zu ausgewählten Sport-Highlights – was machst du in der Zwischenzeit?

Chillen natürlich! Nein, Spaß, es gibt wenige Wochen, in denen bei den Sonderheften nichts zu tun ist. In diesen helfe ich der aktuellen Produktion, arbeite an verschiedenen Projekten oder gehe gerne auch als Reporter ins Stadion – wie in diesem Sommer bei der Heim-EM, die ein tolles Erlebnis war. Oder ich schreibe Geschichten über den Nachwuchsfußball, wo ich lange Zeit als Trainer aktiv war und mich daher ganz gut auskenne.

Alle Sonderhefte sind einzigartig, doch welches Sonderheft ist dir am meisten in Erinnerung geblieben?

Neben „Wir sind Weltmeister“ war unser Sonderheft zu 100 Jahren kicker noch sehr speziell, das ich mit unserem mittlerweile leider verstorbenen Grafiker Heinz Neubauer gemacht habe. Über ein Jahr haben wir an diesem Heft getüftelt und gebastelt. Über sich selbst zu schreiben ist ja noch schwieriger als über andere. Dann aber in die eigene Geschichte des Hauses einzutauchen und Menschen zu treffen, die den kicker lange vor unserer Zeit geprägt haben, war megaspannend.

Tommy Dobs ist seit über zehn Jahren im Bereich Content Marketing, PR und Blogging aktiv. Für unseren Blog schaut er hinter die Kulissen unserer Sportmedien-Angebote, beleuchtet unsere Projekte und spricht mit den Menschen über ihre Motivation. Eine besondere Leidenschaft ist für ihn Data Storytelling. So bringt er Daten und Zahlen zusammen, um emotionale Geschichten mit detailreichen Fakten zu erzählen.