#OVInsight

Ausnahmezustand, Abidjan und ein bisschen ABBA – kicker-Redakteur Michael Bächle beim Afrika-Cup 2024

Am Ende musste ich nochmal ganz schön zittern, obwohl das Turnier schon vorbei war. Aber auf meinem eigentlich recht kurzen Weg vom Hotel zum Flughafen in Abidjan ging plötzlich über eine halbe Stunde gar nichts mehr auf der Straße. Aus 20 Minuten Fahrtzeit wurde fast eine Stunde und der Blick zur Uhr wurde hektischer.

Stau war ich nach zweieinhalb Wochen zwar bestens gewohnt, aber so einen hatte ich noch nicht gesehen: Die Menschen wollten gar nicht mehr weiterfahren, sie parkten auf der Straße und stiegen aus. Auf der Gegenfahrbahn fuhr gerade die ivorische Mannschaft ihre Paraderunde durch die Stadt. Und als sie auf unserer Höhe des Staus waren, da rannten mehrere hundert Kinder und Jugendliche zwischen den stehenden Autos hindurch, schlugen vor Freude auf die Dächer und Türen.

kicker-Redakteur Michael Bächle im Stadion beim Afrika-Cup 2024privat

„Der Afrika-Cup hat in den letzten Jahren in Deutschland

leider nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die er verdient“

Michael über die Relevanz des Afrika-Cups in Deutschland

Wenige Journalisten aus Deutschland trotz hochkarätiger Spieler aus Top-Ligen

Auf den letzten Metern meines Aufenthalts hatte ich nochmal die volle Dosis von dem getankt, was im Zentrum des Afrika-Cups 2024 stand: Begeisterung für den Fußball. Vom Tag des ersten Achtelfinals bis zum Tag nach dem Finale durfte ich das Turnier vor Ort für den kicker begleiten. Für mich auch eine Herzensangelegenheit. Einerseits, weil mich dieser Kontinent schon immer fasziniert hat und ich mittlerweile auch familiär mit ihm verbunden bin. Andererseits, weil dieses mit teils hochkarätigen Spielern und immer hochkarätigen Geschichten besetzte Turnier in den letzten Jahren in Deutschland leider nicht die Aufmerksamkeit bekommen hat, die es verdient.

Auch in der Elfenbeinküste konnte man die deutschen Journalisten an einer Hand abzählen. Umso mehr freut es mich, dass der kicker den Anspruch hat, den Lesern auch von diesem Turnier mehr Einblicke zu geben als die meisten anderen Medienhäusern.

privat
privat
privat
privat
privat

Das ZDF ruft an – wegen Oberliga-Spieler und kicker-Kolumnist Stanley Ratifo

Ich hoffe, dass uns das einigermaßen gelungen ist. Zumindest habe ich während meines Aufenthalts einige Anfragen und Angebote aus der Branche erhalten. Das ZDF-Sportstudio rief an und bat um den Kontakt von Stanley Ratifo – einem in Deutschland geborenen Stürmer Mosambiks, der normalerweise in der Oberliga Baden-Württemberg spielt und der mir nach Turnierstart eine kicker-Kolumne lieferte. Am Ende saß er dann nach dem Ausscheiden seines Teams wirklich in Mainz, berichtete über seine Zeit, schoss auf die Torwand und traf in Profi-Manier ganze drei Mal. 

Er war aber auch eine der vielen bunten Personalien und vielen tollen Geschichten, auf die ich in dieser intensiven Zeit gestoßen bin. Und sie haben ein extrem breites Spektrum. Am einen Tag vertieft man sich noch in die Feinheiten der Taktik von Mitfavorit Nigeria, am nächsten spricht man mit dem Sportminister der Demokratischen Republik Kongo über die Geste der Nationalmannschaft, die sich bei der Hymne zwei Finger an den Kopf hielt.

„Gerechnet hatte ich mit den eingängig-westafrikanischen

Beats, die ich aus den Stadien kannte. Aber es lief ABBA […]“

Michael über die musikalische Vielfalt rund um den Afrika-Cup 2024
privat

A wie ABBA, Ausnahmezustand und Abidjan

Meine persönlichen Highlights waren dabei die Spiele des Gastgebers. In der Elfenbeinküste herrschte an diesen Tagen Ausnahmezustand, der Jubel und die Freude nach Toren und Siegen nahm Ausmaße an, die wir aus Deutschland einfach nicht kennen. Beim Public Viewing gehen Feuerspucker durch die Menge, Plastikstühle fliegen nach Toren – und überall wird getanzt. Fußball geht über alles.

Auf dem Weg zum Viertelfinale in Bouaké machten die Beamten einfach eine Mautstelle auf der wichtigsten Straße des Landes auf, damit jeder rechtzeitig zum Spiel kommen kann. Als mein aus Togo stammender Fahrer auf der Rückfahrt durch die ivorische Nacht etwas müde wurde, schlug ich ihm vor, seine Lieblingsmusik anzumachen.

Gerechnet hatte ich mit den eingängig-westafrikanischen Beats, die ich aus den Stadien kannte. Aber es lief ABBA – und irgendwann sangen wir sogar beide auf der Straße zwischen Yamoussoukro und Abidjan zusammen „I wanna know what love is“ von Foreigner. Damit hätte ich auch nicht gerechnet.

privat

Unter schweißtreibenden Tag- und Nachttemperaturen – (fast) alles hat geklappt

Natürlich war nicht alles nur lustig, leicht und locker. Die Temperatur machte längere Aufenthalte außerhalb von klimatisierten Räumen quasi unmöglich, auch nachts zeigte das Thermometer nie unter 30 Grad an. Der Verkehr in Abidjan ist mitunter katastrophal und die Organisation für Medienvertreter zumindest einmal gewöhnungsbedürftig. Aber ein Afrika-Cup ohne Chaos wäre kein Afrika-Cup.

Das Flugzeug in Abidjan hat übrigens auf mich gewartet. Der Anschlussflug dafür nicht. Aber es wäre ja auch langweilig, wenn immer alles so klappt wie geplant.

 

 

 

 

Text: Michael Bächle

Tommy Dobs ist seit über zehn Jahren im Bereich Content Marketing, PR und Blogging aktiv. Für unseren Blog schaut er hinter die Kulissen unserer Sportmedien-Angebote, beleuchtet unsere Projekte und spricht mit den Menschen über ihre Motivation. Eine besondere Leidenschaft ist für ihn Data Storytelling. So bringt er Daten und Zahlen zusammen, um emotionale Geschichten mit detailreichen Fakten zu erzählen.