Vom Pitch zum Podcast: Wie Isabella Fischer und „Der vierte Stern“ die WM 2014 neu erzählt
Mit „Der vierte Stern“ bringt der kicker zum zehnten Jahrestag des WM-Titels einen eigenen Podcast raus. In fünf Folgen sprechen Reporter Matthias Dersch und Audio-Redakteurin Isabella Fischer mit Sami Khedira, Tom Bartels oder dem Physio der DFB-Elf Klaus Eder über die Geschichten, die so noch nicht erzählt wurden. Für Isabella ein ganz besonderes Projekt, denn sie war verantwortlich für ein neues abgeschlossenes Format, dass es so in der kicker-Podcast-Welt bisher nicht gab.
Besonders zudem, weil sie als frischer Neuzugang ihre Idee direkt aus dem Vorstellungsgespräch in die Umsetzung brachte.
Gute Qualität, gutes Storytelling und gute Hosts sind das
Grundgerüst eines jeden Podcasts, das ist redaktionelle Handarbeit.
Wie entstand die Idee zu „Der vierte Stern“?
Im Juli 2023 hatte ich mein Vorstellungsgespräch beim kicker. Ich sollte eine Case Study vorbereiten und ein Podcast-Format vorstellen. Ich wurde bei der Zeitung ausgebildet, quasi darauf trainiert, emotionale Geschichten zu erzählen. Also habe ich überlegt: Was gibt es für emotionale Fußballgeschichten, die nicht nur ortsgebunden und regional die Menschen packen? Sondern am besten ein ganzes Land? Ziemlich schnell kam ich dann auf das 10-jährige WM-Jubiläum. Meine Idee war da, ein paar grobe Ideen auch, ab ging es zum Vorstellungsgespräch. Die Idee kam mir übrigens eine Stunde vorher, mehr Last Minute ging nicht.
„Der vierte Stern“ ist nicht einzige Podcast um den Titel 2014 – was zeichnet den kicker-Podcast besonders aus?
Es ist ein emotionaler und auch sehr persönlicher Podcast geworden. Wir erzählen nicht nur ein WM-Turnier nach und lassen den Spielverlauf Revue passieren. Wir wollten wissen: Wie war Sami Khediras persönliche Reise? Wie nervös war Tom Bartels vor dem WM-Finale? Dazu bringen Matthias und ich uns als persönliche Hosts mit ein. Ich war einfach nur am Party machen, wie so viele auch in diesem Sommer. Matthias war vor Ort dabei und hatte einen Job, um den ihn Tausende Menschen beneiden. Er gibt Einblicke in seine Arbeit und erzählt dennoch ehrlich, wie er sich in vielen Momenten, in denen man professionell bleiben muss, gefühlt hat. Das ist ein schöner Mix geworden. Wir haben uns also absichtlich fern gehalten von einer analytischen Nacherzählung der Partien. Bei uns geht es um das Drumherum. Lustige Erlebnisse, persönliche Anekdoten, Hintergründe...
Welche Schritte umfasste die Planung eines Podcasts von der Idee bis zur Umsetzung?
Mir war es nicht wichtig, 5 Spieler oder Weltmeister zu haben,
ich wollte einen Mix. Ein Spieler, Menschen, aus dem Umfeld
der Mannschaft – aus der “zweiten Reihe” – die dennoch nah dran waren.
Das würde ich zweiteilen: innerhalb des kickers und innerhalb der Produktion. Im kicker gab es bislang (noch) kein solches Format. Da ich selber noch neu im Haus bin, musste ich also erst einmal verstehen, wer in diesem Haus für was zuständig ist, wer kann mir mit Sache XYZ weiterhelfen? Da war mir mein Kollege Beni Schmid, Produktmanager Audio, sehr behilflich. Wir waren schon ziemlich unter Zeitdruck, ich musste also schnell anfangen und entschied mich dennoch bewusst dazu, mein Team klein zu halten. Freie Mitarbeiter haben mir bei der Recherche geholfen und parallel dazu hat sich Beni um alle „logistischen“ Aspekte gekümmert. Wir hatten viele, viele Calls, um die Kolleginnen und Kollegen im Haus abzuholen, das Projekt vorzustellen und einen Fahrplan festzulegen.
Innerhalb des Podcasts stand ich am Anfang vor einem großen Haufen Ideen. Zu dieser WM kannst du ja alles erzählen, es gibt tausende Stories. Auf was fokussiert man sich da? Mit wem will man reden? Mir war es nicht wichtig, fünf Spieler oder Weltmeister im Podcast zu haben, ich wollte einen Mix. Ein Spieler, Menschen, aus dem Umfeld der Mannschaft – aus der “zweiten Reihe” – die dennoch nah dran waren. Das ist uns glücklicherweise gelungen.
Mit Sami Khedira haben wir einen super Protagonisten bekommen, der sich lang Zeit genommen hat. Übrigens: Er macht sonst keine Podcasts, hat für „Der vierte Stern“ eine Ausnahme gemacht. Unsere Gesprächspartner haben sich in den Interviews teilweise aufeinander bezogen, ohne es zu wissen, was es natürlich im Nachgang einfach gemacht hat, die Geschichte zu erzählen. Nach der Recherche baut sich langsam ein Skript-Gerüst auf, das sich peu à peu verfeinert. Kurz zusammengefasst: Nach der Recherche, die mein Team sehr ausführlich gestaltet hat, kamen die Interviews. Danach hatte ich eine bessere Idee, welche Geschichten ich erzählen kann und so habe ich mich Skript für Skript weitergearbeitet.
Welche Rolle spielte Storytelling bei der Produktion?
Wenn ich also einen Overload an Informationen und Geschichten
hatte, habe ich mich hingesetzt und überlegt:
'Stopp. Was will ich hier eigentlich erzählen?'
Eine große Rolle, denn ohne Storytelling, kein Podcast. Bei so einem großen Projekt muss man aufpassen, dass man sich nicht verzettelt. Wenn ich also einen Overload an Informationen und Geschichten hatte habe ich mich hingesetzt und überlegt: „Stopp. Was will ich hier eigentlich erzählen?“ Die WM 2014 bietet unglaublich viel Stoff, aber man muss diesen Stoff in fünf Folgen lang kontinuierlich gut verpacken und erzählen, damit die Hörerinnen und Hörer dranbleiben. Die Folgen müssen aufeinander aufbauen, sollten im Idealfall auch „für sich“ stehen können. Ich habe mir Unterstützung von Jan-Philipp Wilhelm und Davide Bortot von ACB Stories geholt. ACB Stories ist eine Podcast-Produktionsfirma in Berlin, mit ihnen haben wir bereits im kicker Daily sehr gut zusammengearbeitet. Jan und Davide haben schon zahlreiche Podcasts entwickelt, sind noch dazu Fußball-Fans und feine Menschen. In zwei intensiven Storytelling-Session in Berlin haben wir uns den Aufbau des Podcast angeschaut und vieles umgebaut. Dieser externe Input hat viel geholfen und auch einfach extrem viel Spaß gemacht.
Wie wichtig ist das Skript? Welche Rolle spielt Improvisation?
Bei fünf Folgen à 30 Minuten brauchst du dringend ein Skript. Einen roten Faden, an den du dich orientieren kannst. Dennoch soll es am Ende nicht abgelesen klingen, eine Portion Gelassenheit und Improvisation ist also auch gefragt. In der Aufnahme halten wir uns natürlich an das Skript, formulieren aber hier und da spontan ein paar Sätze um, wenn es sich im Redefluss anders besser anhört.
Was ist dein Learning aus dem Projekt?
Ich habe so einiges gelernt. Erst einmal ist es natürlich schön, dass mein Pitch aus dem Vorstellungsgespräch jetzt zum Leben erweckt wurde. Das hat für mich viel mit Vertrauen zu tun. An dieser Stelle Danke an Alexander Wagner und André Dersewski, die mich einfach mal haben machen lassen, ohne groß Fragen zu stellen. So ein Projekt kostet ja auch einiges, dass ich das realisieren durfte, ist für mich persönlich eine große Sache. Ich habe einerseits viel über die WM 2014 gelernt und wie es damals „wirklich“ war. Ich habe das Haus besser kennengelernt, weil ich mit so vielen verschiedenen Menschen zusammenarbeiten durfte. Ich habe vieles über Formatentwicklung gelernt, wie man unter Zeitdruck und trotz Schlafmangel ein gutes Projekt auf die Beine stellen kann.
Du bist ausgezeichnete Podcast-Produzentin: was macht einen Podcast zu einem echten Erfolg? Was muss der Podcast können? Was muss ihn auszeichnen?
Konzipiere ich einen Podcast, muss ich die Leute erstmal
darauf hinweisen, dass der Podcast existiert.
Schreibt ein kicker-Reporter einen Text, so weiß
der Konsument immer, wo dieser Text erscheint:
im gedruckten kicker oder auf kicker.de.
Numero uno: Gute Soundqualität. Dein Produkt kann vom Inhalt her noch so überzeugend sein, wenn er nicht gut produziert ist, die Aufnahmen in schlechter Qualität sind, dann hört dir keiner zu. Ich selbst schalte auch regelmäßig bei Podcasts ab, wenn der Sound schlecht ist, auch wenn mich das Thema interessiert.
Numero duo: Gute Qualität, gutes Storytelling und gute Hosts sind das Grundgerüst eines jeden Podcasts, das ist redaktionelle Handarbeit. Dass dein Podcast aber überhaupt gehört wird, bekannt wird, dazu braucht es natürlich neben einer guten Grafik auch eine Distributionsstrategie, im besten Fall eine Vermarktung etc.
Ich nehme immer folgenden Vergleich: Schreibt ein kicker-Reporter einen Text, so weiß der Konsument immer, wo dieser Text erscheint: im gedruckten kicker oder auf kicker.de. Konzipiere ich einen Podcast, muss ich die Leute erstmal darauf hinweisen, dass der Podcast existiert. Ich muss im kicker, auf kicker.de, in der App, auf Social Media die Leute dazu bewegen, einen Klick mehr zu machen, den Podcast auf ihrer Streaming-Plattform zu abonnieren und ihn am Ende auch anzuhören. Das ist ein weiter Weg. Ich muss mir also mehr Gedanken machen als “nur” um den Podcast: „Wie schreibe ich den Online-Artikel, damit die Leute auf den Podcast klicken?“, „Was packe ich auf Social, damit die Leute ihn abonnieren?“ oder „Mit welchem anderen Podcast-Format lohnt sich eine Crosspromo?“
Welche Tipps würdest du angehenden Podcastern geben, um einen Podcast erfolgreich zu konzipieren und umzusetzen?
Aus meiner Erfahrung bei der Produktion und Umsetzung eines Podcasts, gibt es fünf wesentliche Tipps, die ich gerne weitergebe:
Eine gute Idee haben ;-) : Die Idee sollte sich auch über mehrere Folgen/Staffeln tragen können und einen roten Faden haben bzw. sollte man sich schon vorab die Storyline gut vorstellen können.
Team für Teamgeist: Ein Team, auf das man sich verlassen kann, mit dem man gut zusammenarbeiten kann, ist ein wesentlicher . PodcastProduktionen können anstrengend, stressig und unvorhersehbar sein. Da braucht es einen guten Teamgeist (den ich beim Vierten Stern hatte!)
Logistik frühzeitig abklären: Redaktionelle Kapazitäten und Finanzielles checken, denn Podcasts sind teuer, brauchen Zeit sowie Ressourcen. Außerdem braucht es einen Distributionsplan, auch muss die Rollenverteilung im Team festgelegt werden. Es muss klar sein, wer sich um was kümmert.
Storytelling-Handwerk beherrschen: StorytellingFormate müssen gut erzählt werden. Emotional und authentisch. Immer wieder hinterfragen: „Welche Geschichte will ich hier eigentlich erzählen?“ Alles ist subject to change. Ich habe in der Mitte des Podcast die Struktur ziemlich über den Haufen geworfen.
Spaß haben: Klingt vermutlich sehr banal, ist für mich aber am allerwichtigsten. Man muss an das Projekt glauben und diejenigen um sich haben, die den Enthusiasmus mittragen können, auch an Tagen, an denen es nicht so läuft.
Worte zum Schluss?
Und jetzt: Abonniert den Podcast, um keine neue Folge zu verpassen. Haha.